
Bildnachweis der Originalfotos:
(m) Bildarchiv Konrad Klein
(r) Bildarchiv Konrad Klein / Samml. Hermann Schobel, Würzburg
Bearbeitung: Susanne Allgaier
Ich kannte, wie wohl jedes Kind im Vorschulalter, eine
magische Welt, in der das, was wir Erwachsene als wunderbar oder
zauberhaft bezeichnen würden, ganz selbstverständlich
war. ...
... Die Welt der Kindheit erscheint mir als eine gläserne Kugel,
vollkommen, in sich geschlossen, zerbrechlich und unzerstörbar
zugleich. Ich war zehn Jahre, als mein geliebter Großvater
unerwartet starb. Der Tod war in mein Leben getreten. Es war der
Sturz aus meiner Kindheit.
Das Arbeiten mit Holz war meine große Leidenschaft. Es gehörte
zu meinen liebsten Arbeiten, mit dem Reifmesser auf der
Schnitzbank sitzend Pfähle anzuspitzen oder Holzstangen zu
entrinden. Wir halfen Vater, den Zaun mit Pfählen und Stangen
auszubessern.
Die große Begeisterung aber galt dem Bau von Stelzen.
Auf allen unseren Spaziergängen hielten wir Ausschau nach
schlanken, astarmen Stämmen, die nur im Dickicht zu finden
waren.
Vater musste vom Tischler Klein neun oder zehn Paar
Trittbrettchen bestellen, mit den dazu gehörigen Schrauben
natürlich. Jedem wurde, gemäß Rang und Können, eine bestimmte
Tritthöhe zuerkannt, und ich sorgte eifersüchtig dafür, dass
Heinrich und Hans kürzere Stelzen bekamen als ich.
Unser Federvieh war auf die Dauer unseres Schanta*-Aufenthaltes berechnet und man konnte an der Zahl der Hühner fast ablesen, wie lange noch die Ferien dauern würden. Manchmal machte uns aber auch der Hühnergeier einen Strich durch die Rechnung.
Nicht nur der Hühnergeier, auch ich hatte einmal ein Huhn auf
dem Gewissen und ich weiß nicht mehr, ob die Wahrheit über diese
Geschichte damals herausgekommen ist.
* Die Schanta ist eine kleine Feriensiedlung im Zibinsgebirge, einem Teil der Südkarpaten. Vor dem 2. Weltkrieg verbrachten manche Familien aus Hermannstadt dort regelmäßig die Sommerferien.