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Ansprache von Roland Phleps
am 13. September 2009
zur Vernissage der Ausstellung
Beat Kriemler
"Jenseits des Räumlichen"
in der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Lieber Beat Kriemler,
liebe Freunde unserer Stiftung,
meine Damen und Herren!
Wir haben im März dieses Jahres den zehnten
"Geburtstag" dieser Ausstellungshalle mit einem
Rückblick auf die dreißig Künstler und Künstlerinnen begangen, die
in diesem Zeitraum hier mit ihren Werken präsentiert worden sind,
unter ihnen international renommierte Künstler neben solchen, deren
Bekanntheitsgrad durch unsere Ausstellungen gefördert werden
konnte.
Unser Gast ist heute und für die kommenden sieben Wochen Beat
Kriemler aus der Schweiz, den ich herzlich begrüße und den ich
Ihnen nicht nur in figura, also lebensgroß vorstelle, sondern auch
mit seiner Vita und vor allem, im Rahmen unserer Möglichkeiten, mit
einer repräsentativen Werkauswahl.
Er ist mit erst vierzig Lebensjahren der jüngste in der Reihe
unserer Künstlergäste, doch kann man ihn aufgrund beachtlicher
Erfolge bereits (auf Neudeutsch) als "shooting star"
bezeichnen. -
Maßgeblich dafür, Beat Kriemler in unser Ausstellungsprogramm
aufzunehmen, war aber, dass bei seinen mehrfachen Besuchen in
Freiburg ein wechselseitiges Interesse zutage trat, dass ein
ungezwungenes Gespräch auf gemeinsamer Wellenlänge möglich war und
die Gemeinsamkeiten in der Grundauffassung von bildender Kunst uns
einander annäherten. Mein Besuch vor einem Jahr in Beat Kriemlers
Werkstatt in Hauptwil/Thurgau bestätigte meinen Eindruck von der
hohen Qualität seiner Arbeiten, die ich zuvor nur auf Fotos gesehen
hatte.
Beat Kriemler ist 1979 in Sankt Gallen zur Welt gekommen und in
Wil aufgewachsen. In einem Alter, in dem meine Generation
Karl-May-Bücher verschlang, war er von der Lebensform und
Lebensanschauung der Hopi-Indianer in New-Mexico so fasziniert,
dass er mit achtzehn Jahren nach Amerika ging, wo er zwar von der
realen Gegenwart ernüchtert war, aber ein hoch befriedigende
Studium am Institute of American Indian Art in Santa Fé/New
Mexico von 1990 bis 1996 absolvierte, zweidimensional und
dreidimensional, wie er es nennt. Er errang bei Abschluss des
Studiums den zweiten Preis für Plastik und hatte danach sieben
Jahre lang sein eigenes Atelier in Santa Fé. Besonders
wichtig war für ihn, dass er von 1991 bis 1993 Assistent des
renommierten indianischen Bildhauers Bob Haozous war, beeindruckt
von dessen Naturverbundenheit und Spiritualität.
Bis zu seiner Rückkehr in die Schweiz 2003 und der Eröffnung
seines Ateliers in Hauptwil hatte er bereits an einer Vielzahl von
Ausstellungen in der Schweiz, in Deutschland und Italien
teilgenommen. Im Jahr 2004 wurde er zum Mitglied der Königlich
Britischen Bildhauer-Gesellschaft gewählt. Höhepunkt seiner
Bildhauer-Karriere war die Aufstellung seiner Großskulptur "Two
Folds into One" im internationalen Skulpturenpark der Stadt
Peking anlässlich der Olympischen Spiele 2008. Er war neben hundert
chinesischen Künstlern einer von fünfzig ausgewählten
Nicht-Chinesen bei insgesamt zweitausendfünfhundert Bewerbern. Dann
folgte Ende 2008 die Aufstellung einer Großskulptur in New Orleans,
und erst vor wenigen Tagen ist Beat Kriemler aus Urumqui,
Hauptstadt der chinesischen Provinz Sinklang zurückgekehrt, wo eine
seiner Skulpturen im öffentlichen Raum aufgestellt werden soll.
Nach diesen biografischen Daten möchte ich versuchen, über das
Wesen der künstlerischen Arbeit von Beat Kriemler etwas zu
sagen. -
Seine Werke aus Steinbrocken, teilweise mit Farbe in den Höhlungen
und Durchbohrungen, entstehen vorwiegend im einfühlsamen Umgang mit
den Gesteinsbrocken. Die Materie gewinnt im einfallenden und
reflektierten Licht etwas Immaterielles, das den einen Betrachter
ästhetisch erfreut, den anderen zur Meditation führt. Es ist so
einfach: Man höre die Musik und verzichte auf den Versuch, sie
verbal zu überhöhen! Beat Kriemler sagt: "Ich schätze das
organische Arbeiten, bei dem das Werk aus sich selber entsteht, aus
dem Material heraus und aus der Geschichte, wie ich zu diesem
jeweiligen Werkstück gekommen bin oder eben das Werkstück zu mir
gekommen ist."
Dieser einfühlsame Umgang mit dem Werkstoff Stein zeigt sich sehr
schön in den an den Wänden der Galerie aufgehängten
Schieferplatten. Der Schiefer bricht beim Spalten gleichsam in ein
sehr flaches, natürliches Relief mit unregelmäßigen Stufen. Auf
einige der hierdurch begrenzten Flächen bringt der Künstler Farbe
auf, wobei ein lebendiges Spannungsfeld entsteht. Aus
unterschiedlichem Blickwinkel des Betrachters changieren die
metallisch wirkenden Farben. Die Komposition der Tafeln zu Gruppen
ergibt ein übergreifendes Werk, das bewegt erscheint im Dialog der
Einzelteile. Die vorgegebene "Natur" des Schieferbruchs
und die bewusste künstlerische Gestaltung finden harmonisch und
zugleich spannungsvoll zusammen.
Angesichts der Metallarbeiten von Beat Kriemler erkenne ich bei
uns gemeinsame Grundtendenzen. Seine Kenntnis und Wertschätzung
großer Konstruktiver Künstler wie Antoine Pevsner, Naum Gabo,
Barbara Hepworth, Andreu Alfaro ist offenkundig. Die geometrischen
und stereometrischen Elemente, aus denen er seine offenen
Skulpturen konstruktiv aufbaut, reichen durch ihre schwungvolle
Komposition weit über eine Demonstration von Kreisring oder Spirale
hinaus ins Musikalische, Poetische oder Tänzerische. Es sind
offenen Skulpturen mit wechselndem Anblick, Einblick und
Durchblick, deren Vielfalt die Kunstwerke lebendig erscheinen
lässt. Ihre Ästhetik erwächst aus dem ausgeprägten sicheren
Raumgefühl des Künstlers und einer Ausgewogenheit von Harmonie und
Spannung. Hoffentlich ist die Zeit vorüber, in der man solche Werke
als "zu schön" diskreditieren durfte.
Ich möchte noch auf die Wichtigkeit des großen Formats der
Metallarbeiten von Beat Kriemler hinweisen. Sein Formenrepertoire
ist streng begrenzt. Kreis und Quadrat, plane Flächen und deren
Überschneidung im Raum sind uns als alltägliche Gegebenheiten so
vertraut, dass wir uns der ihnen innewohnenden Monumentalität erst
bewusst werden, wenn sie in die große Dimension gesteigert
werden. Zur Erläuterung dieses Satzes: Die Kristallform des
Oktaeders begegnet uns in Mineralien, die in einer Schublade Platz
finden. Die herrlichen ägyptischen Pyramiden sind aber als Gestalt
an einen halbierten Oktaeder angenähert und überwältigen uns in
ihrer Größe und Großartigkeit. - Die großformatigen Werke von Beat
Kriemler lassen uns, wie ein bedeutender Künstler gesagt hat, die
"Würde des Kreises" erkennen.
Jedes Kunstwerk, dem wir aufgeschlossen begegnen, weckt in uns
Assoziationen und kann Interpretationen nahelegen, die von
Betrachter zu Betrachter verschieden sind. Auch der Künstler selbst
hat seine Interpretation; im Fall der für Olympia geschaffenen
Skulptur "Two Folds into One" meint Beat Kriemler, im
Werk stecke der Gedanke, dass die Differenzen zwischen Okzident und
Orient überbrückbar seien. Das hat etwas mit dem vorgegebenen Thema
der Ausstellungsmacher zu tun.
Lieber Beat, in diesem Werk sehe ich das schönste Symbol für
olympische SPIELE, die leider in der Realität zu
verbissenen KÄMPFEN entartet sind. Dieses Werk ist, als
ein geglücktes Kunstwerk, weit mehr als ein Konstrukt der Ratio und
des Kalküls. Der indianische Meister würde sich, aus seiner Schau
der Welt, über dieses Gelingen ebenso freuen wie die Altmeister der
Konstruktiven Kunst, die ich genannt habe. Dem Wort des alten
Goethe ist zuzustimmen: "Wenn ihr's nicht spürt, ihr werdet's
nicht erjagen."
Liebe Gäste, Sie haben mir geduldig zugehört, dafür danke ich
Ihnen. Lassen Sie jetzt aber bei Ihrem Rundgang durch die
Ausstellung "das Werk den Meister loben!". Beat Kriemler
freut sich darauf, mit Ihnen zu diskutieren und Ihre Fragen zu
beantworten.
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Beat Kriemler:
Skulpturen aus Stein und Metall
Einladung
Wegbeschreibung
Ansprache bei der Vernissage
Skulptur "Spacial Intersection"
Bilder der Ausstellung
Kurzbiographie

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