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Auszug aus der Ansprache von
Gerhard Breinlinger, Radolfzell,
anläßlich der Ausstellungseröffnung mit Werken von
Erich Hauser
am 05.06.2005 in der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Erich Hauser, der im letzten Jahr 73jährig gestorben ist,
gehört zu jener jungen Generation von Nachkriegskünstlern, die,
bereits in den 50er Jahren, unbelastet, wenn auch nicht unbefangen,
für einen künstlerischen Aufbruch sorgen, der in Deutschland
einzigartig ist, und der bis heute eine breite Anerkennung gefunden
hat. Der Weg, den er schon in den frühen 50er Jahren geht, ist bis
heute das Wagnis eines künstlerischen Balanceaktes. Mit Konsequenz
und Stetigkeit reizt er sein schöpferisches Handeln bis zur
Grenzüberschreitung aus, treibt sein Werk zu ständiger
Erneuerung. Angesichts seines Oeuvres von bis an die
1000 Stahlbildwerken wird deutlich, mit welcher beharrlichen
Kraft dieses gigantische Werk geschaffen wurde. Bei all seiner
Kontinuität und Exponiertheit zeigt es dennoch immer wieder
Stationen auf, die eine kunstgeschichtliche Positionierung dieses
Lebenswerkes erst möglich machen.
Die Arbeitsweise in den Jahren seiner ersten Werkphase kommt einem
Kraftakt gleich, dessen Ziel die konsequente Überwindung von seinen
frühen, naturalistischen Formen hin zur Abstraktion ist. Permanent
legt er Wege vom gleißenden Arbeitsplatz zum in der Nähe stehenden
Zeichentisch zurück, um sich voller Ungeduld mit dem Graphitstift
über das Gewißheit zu verschaffen, was er mit dem Aneinanderplatten
vieler einzelner Stahlsegmente zur Form zwingen will.
Die Spuren dieser plastischen Konvulsion glätten sich dann ab
Mitte der 60er Jahre. Völlig neue Formen entstehen: geradezu
anmutige, an den Kuros - die aufrecht stehende
Jünglingsgestalt der griechischen Klassik - erinnernde
Säulengestalten und Konstellationen von rhythmisch gegliederten
Raumwänden. Sie besitzen jetzt die für Hauser typische,
weichpolierte Stahloberfläche, mit der die Plastiken durch ihre
matten Lichtreflexionen in eine intime Beziehung zur jeweiligen
Umgebung treten. Nicht mehr die Kraftgebärde der Plastik an sich,
sondern die in ein ihr zugehöriges Umfeld gestellte Aura bedingt ab
diesem Zeitpunkt die Qualität Hauserscher Bildhauerei. Die
Anerkennung für den Bildhauer kommt mit der höchsten
internationalen Auszeichnung, die man damals erringen konnte -
mit dem »Premio Itamaraty«, dem Großen Preis der
Biennale von São Paulo, 1969. Ab diesem Zeitpunkt steht
Hauser im ersten Glied. Die Fachwelt feiert ihn als einen der
großen Bildhauer seiner Zeit, und er erhält zahlreiche Aufträge im
öffentlichen Raum, die ihm und seiner (inzwischen) neuen Werkstatt
in Rottweil bis Mitte der 70er Jahre eine unermüdliche
Produktivität abfordern.
Zahlreiche Großplastiken entstehen: für den Platz vor der Börse
in Düsseldorf, in Marburg, für die Landesvertretung
Baden-Württemberg in Bonn, in Neuss, Stuttgart, Darmstadt,
Gelsenkirchen, Hamburg - um nur einige zu nennen. Manche von
ihnen in einer bis zu diesem Zeitpunkt noch nie dagewesenen
Monumentalität und mit einer geradezu utopischen
Suggestionskraft.
Mit dem Mut des Tüchtigen setzt Hauser der ihm begegnenden
Ignoranz die Resultate seiner Schaffenskraft entgegen. Der Impetus
wechselt, völlig neue Formen entstehen: Boden- und Wandreliefs mit
ausragenden Knospungen voller Asymmetrien und von einem unbekannten
Spannungspotential.
Hauser steht in einer Zeit, in der sich der Begriff der
Avantgarde einem vom Markt geforderten Wechsel permanent
unterordnet, mit Werken von geradezu klassischer
Spannkraft. »Formen ändern sich wie ich mich selbst
ändere«, sagt er lapidar, wobei es nicht die äußeren
Einflüsse sind, die den Wandel bei ihm bewirken, sondern innere
Emigration. Die Zeichen, die er setzt, werden nicht
übersehen. Wiederum wird er zu Wettbewerben eingeladen und gewinnt
sie souverän: Für das Bundeskanzleramt in Bonn liefert er gleich
sechs Bodenreliefs, für die Staatsbibliothek in Berlin fertigt er
eine Wandzeichnung im gigantischen Format von über 6 auf über
13 Metern. Scheibenplastiken von bis zu vier Metern
Durchmesser werden in Ulm, Rottweil, der Universität Bayreuth und
vor dem Museum Sprengel in Hannover aufgebaut.
Erich Hauser, inzwischen 50 Jahre alt geworden, ist nun
längst nicht mehr der von der Kunstkritik hochgelobte
Avantgardist. Diese Station seines künstlerischen Weges vollzog
sich zwar in aller Heftigkeit, war aber relativ kurz bemessen. Die
Position, die er jetzt, ab Ende der 70er Jahre bezieht, ist nach
seinem genialen Aufbruch, der von Kraft und Wagemut begleitet war,
eine in sich gekehrte, eine vom Thema der Bildhauerei seit Gabo und
Brâncuşi bestimmte: die des Wechselspiels der Plastik
zwischen Innen und Außen, die Durchdringung von
raumkonstituierenden und raumdurchlässigen Formen, wobei sich die
plastische Wirkung nicht aus der Masse, sondern aus der Spannung
ergibt.
Der vierte, deutliche Umbruch im Werk Erich Hausers, läßt
sich in seinem Formvokabular ebenso aus einem Widerspruch zu
bisherigen, gesicherten Grundlagen erklären - fast so, als
liege dem allem ein dialektisches Prinzip zugrunde. Stärker als
jemals zuvor zwingt er seine Skulptur in eine Metrik, der keine
Anmutung an bisherige Basisformen wie Kreis, Würfel oder Rechteck
mehr eigen ist: Die quasi aus sich selbst herauswachsenden, mit
ihrem Schwerpunkt kämpfenden Figuren und Körper sind aus
prismatischen Keilen zusammengesetzt, deren Ausgangspunkt lediglich
Dreiecke bilden. Aus einem imaginären Kern setzt sich scheinbar
Energie für ein plastisches Geschehen frei, explodiert geradezu und
verharrt in einem Zustand instabiler, ästhetischer Perfektion.
Es liegt an der dynamischen Persönlichkeit von Erich Hauser,
daß es keinen temperamentvolleren, unermüdlichen Anstifter und
Aufrührer gibt, wenn es darum geht, der Kunst einen ihr
angemessenen Platz in der Gesellschaft zu verschaffen. Sein
Engagement kennt in dieser Hinsicht keine Grenzen. Wer sich auf
diesem Feld mit ihm einläßt, geht entweder unter, oder ist
zeitlebens beschäftigt. Die permanente Unruhe, die er stiftet,
wirkt mitreißend, steckt an. Was er sich selber zumutet, das müssen
auch alle in seiner näheren Umgebung ertragen. Sein
kulturpolitisches Engagement stellt das vieler festbestallter
Kuratoren und Kunstfunktionäre in den Schatten. Mit dem von ihm
1970 gegründeten Forum Kunst hat er seine Wahlheimat Rottweil
zu einem Angelpunkt in Sachen moderner Gegenwartskunst
gemacht. Seine von ihm ins Leben gerufene Kunststiftung verspricht
ein vielbeachtetes Zentrum für moderne Bildhauerei zu werden. All
das wird kämpferisch ausgefochten und auf seine Bahn
gebracht. Egal, ob es sich um seine eigene Kunst oder die anderer
handelt - wenn Erich Hauser erst einmal kraftvoll seine
Position bezogen hat, dann wird auch siegesgewiß
vorangeschritten. Viele Amtsstubenverweser hat er auf seine Weise
um ihren gerechten Schlaf und manche sogar schon zur Strecke
gebracht.
Er war ein wunderbarer Kampfgeselle für den, der ihn ertragen
konnte, und der gerne seine Kräfte mit ihm gemessen hat - ein
in jeder Beziehung ungewöhnlicher Zeitgenosse, unbequem, notorisch
eigensinnig, gleichzeitig mit einem jungenhaften Charme
ausgestattet, ein Vulkan an schöpferischer Unruhe und steter
Umtriebigkeit. Auch wenn seine Gesundheit in den letzten Jahren
der Unermüdlichkeit des alten Langstreckenmatadors Tribut zollen
mußte, sind auch seine letzten Obsessionen als Bildhauer von
ungebremster Spannkraft gewesen und zeugen von äußerstem Potential
an Radikalität, Provokanz und -sogar- Gefährlichkeit.
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