Vortrag von Frau Dipl.-Psych. Claudia Kollmann,
Kuratorin der Stiftung, anläßlich der Vernissage der
Ausstellung HERMANN WAIBEL
Lichtraumobjekte · Raumlichtfarben
Liebe Freunde der Stiftung, liebe Gäste!
Wir verneigen uns im Gedenken an Professor Peter Staechelin, der in der
vergangenen Woche verstorben ist. Nicht nur die Stadt Freiburg
verliert eine Malerpersönlichkeit. Die Konstruktive Kunst
und insbesondere die "konstruktiven Künstler" im Südwesten
der Republik - denen er zum Jahresausklang 2003 im E-Werk
seine letzte Ausstellung "Aspekte Konstruktiver Kunst"
widmete (die XXXIV) - verdanken seinem großen Engagement
öffentliche Aufmerksamkeit für Ihre Werke. Die Jungen
hat er gefördert, die Erfahrenen stets integriert - den Dialog
und Erfahrungsaustausch der "konstruktiven Künstler"
kontinuierlich aufrecht erhalten.
Auch Professor Hermann Waibel, den ich sehr herzlich begrüße,
von dessen umfangreichem Werk wir heute eine kleine
Auswahl hier sehen, hat mit Peter Staechelin einen langjährigen
Freund verloren. Herr Phleps und ich entdeckten - unabhängig
voneinander - zwei kleine Waibelsche "Raumlichtfarben"
im vergangen Jahr bei der Ausstellung im E-Werk - eines im
selbstbewußt leuchtenden Rot, das andere im
ruhig leuchtenden Blau.
Eine interessante Paarung - so fanden wir. Wir gingen auf
weitere Entdeckungsreise und fuhren nach Ravensburg.
Dort lebt und arbeitet der Künstler; dort wurde er 1925 geboren.
Nach Ende des Krieges absolvierte er seine künstlerische
Ausbildung - u.a., in familiärer Tradition, als Restaurator
und Kirchenmaler, dann bei Professor Adolf Strübe ein kurzes
Studium hier in Freiburg, an der Staatlichen Kunstakademie.
In den Jahren 1952 - 57 stand die figurative Malerei und vor
allem das Portrait im Mittelpunkt seiner Arbeit, die von der
visionären Imagination des Rembrandtschen Lichtes inspiriert
wurde. Daraus erschloß sich später die weiterführende
grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Licht, das ihn -
Waibel - zu überraschenden, neuen Sehweisen führte. Die
sich daraus ergebenden Kompositionen begleiten sein Werk bis
hier in diese Ausstellung und offerieren uns jene künstlerische
Kontinuität, die wir in seinem Gesamtwerk wahrnehmen
können.
Ab 1958 steht die Entwicklung konkreter Strukturen und lichtkinetischer
Objekte in Papier und Kunststoff im Mittelpunkt
des Waibelschen Schaffens. Heute kann Professor Waibel
auf ein reichhaltiges Werk blicken, das ich nur übergreifend
skizziere.
Für weitergehend Interessierte sei schon hier auf das im
Auftrag der Stadt Ravensburg herausgegebene Buch HERMANN
WAIBEL Lichtstrukturen · Lichtinstrumente ·
Lichtfarben hingewiesen.
Auch der Aufsatz von Herbert Köhler im Kritischen Lexikon
der Gegenwartskunst (3. Quartal 2002) DIE ERFINDUNG
DES MULTIPLEN UNIKATS gibt einen vertiefenden Einblick
in das Schaffens dieses Künstlers. Nicht zuletzt sei das
Buch von Dietmar Guderian (hier aus Freiburg)
genannt - MATHEMATIK IN DER KUNST DER LETZTEN DREISSIG
JAHRE, das das Werk von Hermann Waibel im Kontext
konkreter und konstruktiver Kunst fundiert positioniert.
Bis heute ist Hermann Waibel vor allem dem Phänomen des
natürlichen Lichtes auf der Spur geblieben. Er verwendet
dabei geometrische Formen in strenger serieller Anordnung.
Hauchdünne, mehrfach geschichtete, eingefärbte Kunststoffe, auf die
Rückseite des Bildträgers aus Acrylglas aufgetragen, sind transparent
und werden vom reflektierten Licht der Rückwand des Acrylglaskastens
durchschienen. Dadurch wird Räumlichkeit simuliert.
"Raumlichtfarben" nennt er diese neue Generation
seiner Wandobjekte, die als dreidimensionale Bilder
erscheinen.
Die farbigen Schichtgitter sehen wir auf eine andere Weise
in den schwarzen Lichtraumobjekten, die wir ebenfalls als
räumliche Entwerfung begreifen müssen - ja, meine Damen
und Herren, ich meine sogar, daß diese dunkle Gittertektonik
gleichsam als Aufbruch zur räumlichen Entwerfung von Architektur
zu begreifen ist. Und diese Grundauffassung führt
uns immer zur plastisch tektonischen Ausrichtung sakraler
wie auch profaner Räume. So ist es nicht verwunderlich, daß
sich viele internationale Künstler vehement mit der Gittertektonik
auseinandersetzen, die sie zu überraschenden Resultaten
führen. Netzgittergeometrien sind stets natürliche,
plastische Raumphänomene, die wir ja insbesondere an den
gotischen Kathedralen ablesen können.
Lieber Herr Waibel! Ich sehe in Ihrem Werk eine neu aufkommende
Symbolik zwischen Farbe und Architektur, die
tatsächlich zu einer ganz neuen räumlichen Sehweise führen
könnte, wenn Sie dieser blauen räumlichen Imagination des
Bildes ...(vorne rechts das zweite Bild) weiter in die Tiefe
folgen. Darin sehe ich eine hohe tektonische Aufbruchstimmung
in der Bildkunst. Und diese Aufbruchstimmungen
des Lichtes brauchen wir heute mehr denn je. Nur sie können
uns erneut zu Sinn und Form der Kunst führen.
Für Ihr weiteres Schaffen, lieber Herr Waibel, wünsche ich
Ihnen gute Gesundheit und weiterhin Ihrer Werkgenese vollen
Erfolg!
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